Es ist nicht nur Zeit. Es ist höchste Eisenbahn für mehr Weiblichkeit in der Wirtschaft und für mehr Fortschritt bei der Gleichstellung von Mann und Frau. Um uns Frauen bei diesem Prozess, der derzeit ungefähr die Geschwindigkeit eines lahmenden Ponys hat, vom Seitenstreifen auf die Überholspur zu bringen, haben Berna Brysch und Melly Schütze im Februar diesen Jahres nushu gegründet. Ein Netzwerk nur für Frauen.
Wenn ein Mann Karriere macht, kommt keiner auf die Idee, ihn zu fragen: Und was machst Du mit den Kindern? Berna Brysch dagegen – (Mit-)Gründerin von nushu Female Business, Geschäftsführerin des Kosmetiklabels cicé safer skincare und außerdem dreifache Mami – wurde diese Frage, so oder so ähnlich, bereits häufiger gestellt. Von Männern wie von Frauen. Dabei dachten wir, wir wären über solche Fragen schon hinaus. Bei all den öffentlich geführten Diskussionen und bei all den Women Empowerment-Slogans, mit denen sich die Unternehmen so gerne Fortschrittlichkeit auf die Fahnen schreiben, haben wir schon fast gedacht, wir wären bald angekommen in einer Gesellschaft, in der Frauen – egal ob mit Kindern oder ohne – die gleichen Chancen und Perspektiven in der Arbeitswelt haben wie Männer. Warum das aber noch ganz und gar nicht der Fall ist, besprechen wir mit Berna bei einem „Kaffee-Date“ im Café Elbgold in der Sternschanze.
Deutschland ist jetzt wieder Schlusslicht in Europa, was Frauen in Führungspositionen angeht.so Gründerin Berna Brysch
Die Stimmung ist trotz des etwas schweren Themas heiter und entspannt. Das liegt sicherlich an dem köstlichen Kaffee und dem leckeren Frühstück, das wir uns im Elbgold gönnen. Vor allem aber liegt das auch an Berna, der man die Energie und Motivation, an der derzeitigen Situation etwas zu ändern, deutlich anmerkt. „Es wurde schon so viel erreicht, aber was wir noch nicht geschafft haben, in ganz vielen Branchen, ist ganz nach oben zu kommen. Deutschland ist jetzt wieder Schlusslicht in Europa, was Frauen in Führungspositionen angeht“, erzählt uns Berna.
Dass der langjährige Trend zu mehr Gleichberechtigung der Geschlechter ins Stocken geraten ist, zeigen auch die Zahlen: „Fortschritt im Schneckentempo“ (im englischen Original: Progress at a snail‘s pace) lautet die Headline des Artikels zur dritten Ausgabe des Europäischen Gleichstellungsberichts, der vom European Institute for Gender Equality herausgebracht wird. Der Bericht zeigt, dass Deutschlands Gender-Entwicklung in den letzten Jahren fast zum Erliegen gekommen ist. Rosiger wird es auch nicht, wenn man auf die Daten des Gender Gap Reports 2017 schaut. Einmal jährlich bewertet das Weltwirtschaftsforum in dem Report die Gleichstellung der Geschlechter weltweit. Nach dem Anfang November 2017 erschienenen Bericht ist der Abstand zwischen den Geschlechtern erstmals seit elf Jahren sogar wieder größer geworden.
Nushu – Female Business only
Die beiden Hamburgerinnen Berna und Melly wollten diesem Trend entgegenwirken und mehr tun für Frauen im Job, von der Controllerin im Großkonzern bis zur Gründerin. Mit nushu haben sie einen Businessclub gegründet, dem nur Frauen beitreten können. Ein Gegenentwurf zum Old-Boys-Club, wie sie es nennen. Berna berichtet uns, dass sie auf Netzwerkveranstaltungen, die sie als junge Gründerin eines Kosmetiklabels besucht hatte, fast nur auf Männer getroffen ist. „Viele erzählen einem dann gerne mansplaining-mäßig, was man alles anders machen könnte“, sagt Berna und relativiert ihre Aussage sogleich wieder. Denn es geht ihr nicht darum, Männer schlecht zu reden, sondern darum, Frauen die Möglichkeiten zu bieten, die Männer allein deswegen haben, weil sie jahrzehntelang quasi unter sich waren und sich gegenseitig unterstützen konnten. Daran hat sich, obwohl der „Old-Boys-Club“ seine besten Tage schon hinter sich hat, bis heute nicht viel geändert. Männer seien einfach generell besser darin, sich ein Netzwerk aufzubauen und es auch für sich zu nutzen, findet Berna.
Männer empfehlen Männer
Männer empfehlen Männer. So war es und so ist es noch immer. Als „Thomas-Kreislauf“ wurde dieses System unter anderem bezeichnet. Thomas fördert Thomas und Michael fördert Michael. Tatsächlich gibt es 2018 in börsennotierten deutschen Unternehmen mehr Vorstandsmitglieder, die Thomas oder Michael heißen, als es insgesamt Frauen gibt. „Mit nushu geht es uns darum, Frauen aus verschiedenen Branchen, verschiedenen Positionen und auch verschiedenen Lebenssituationen miteinander zu vernetzen, um ihnen das Netzwerk zu bieten, das Männer sich ganz natürlich erschließen“, sagt Berna. Es geht also ums Aufholen. Und dass wir dabei einen Zahn zulegen müssen, haben uns die neuesten Studien und Berichte gezeigt.
Wir sind auch bewusst rosa.so Berna
Aber muss denn dabei wieder alles rosarot sein? Diese Frage haben wir uns gestellt, als wir die Webseite von nushu gesehen haben. Die kommt – sagen wir‘s mal so – recht weiblich daher. Geschwungene Schrift, viel rosa und Pastell und Stylingtipps, um seinen Signature Look zu finden, gibt es auch. „Wir sind auch bewusst rosa“, betont Berna. Zu dem weit verbreiteten Ansatz, Frauen müssten sich an das Auftreten der Männer anpassen, härter sein und diesen Modefimmel am besten weglassen, sagt sie ganz geradeheraus: „So ein Bullshit. Wir müssen uns überhaupt nicht anpassen, sondern die Berufswelt und die Wirtschaft müssen sich an Frauen anpassen. Die Wirtschaft kann ruhig weiblicher werden.“ Der Meinung sind wir auch. Die Wirtschaft kann sowohl weiblicher, als auch bunter werden. Also Ladies, raus mit den Ideen, rein ins Getümmel und ran an die Macht. Frei nach dem Motto, mit dem schon Pippi Langstrumpf durch‘s Leben gehüpft ist: „Das haben wir noch nie probiert, also geht es sicher gut.“ Denn wenn wir rosa sein können, können wir erst recht Pippi sein.
Ihr wollt auch Teil des Teams nushu werden? Dann verabredet euch mit den Mädels von nushu zu einem Kaffee-Date. Unser Kaffee-Date mit Berna hat uns sehr viel Spaß gemacht. Jenny und ich sind dabei!
www.teamnushu.de