Wie würde der Punk aussehen, wenn diese Subkultur erst jetzt entstünde? Eine Frage, die sich Foxy Finsterwald für die Abschlusskollektion ihres Modestudiums gestellt hat. Wir haben mit der jungen Designerin über ihre Kollektion gesprochen und darüber, wie frustrierend die Fast Fashion Industrie und unsere Gesellschaft für sie sind. Eine Haltung, die nicht nur in ihren Designs deutlich wird, sondern auch in der dazugehörigen Bildstrecke – fotografiert von Felix Valentin.
Just My Hype: Für deine Abschlusskollektion hast du die Exiter erschaffen. Was macht diese neue, fiktive Subkultur aus?
Foxy Finsterwald: The Exiter sind eine Gruppe, die die linke Politik in den Fokus rücken will. Eine Gegenbewegung zum Rechtsrutsch, den wir in den vergangenen Jahren in Deutschland erlebt haben. Die Exiter sind heute – anders als Punks früher – nicht anarchistisch ausgerichtet. Das würde bei dem gefühlten Chaos in der Welt keinen Sinn ergeben. Sie wollen Strukturen, vertreten aber Ideale, wie wir sie aus dem klassischen Punk kennen. Das heißt, sie sind gegen Sexismus, Rassismus, Hierarchien und Kapitalismus. Sie glauben daran, dass sie nur etwas ändern können, wenn sie in die Politik gehen und nicht nur gegen vorhandene politische Strukturen ankämpfen.
Die Gesellschaft, so wie sie jetzt ist, ist nicht brauchbar. Sie sollte menschlicher und mitfühlender sein.
Just My Hype: „Erase society. Release humanity.“ ist der Slogan der Exiter. Was willst du damit ausdrücken?
Foxy Finsterwald: The Exiter – das sind die Aussteiger, also das Gegenteil von Mitläufern. Der Slogan drückt aus, dass die Gesellschaft sehr wandelbar ist und sich ändern kann. Es hört sich radikal an, aber im Grunde bedeutet er: Man löscht dieses ganze gesellschaftliche Konstrukt und wird wieder human. Die Gesellschaft ist die Mehrheit der Menschheit – und die müsste umdenken. Denn die Gesellschaft, so wie sie jetzt ist, ist nicht brauchbar. Sie sollte menschlicher, mitfühlender sein und zukunftsgerichteter denken können.
Just My Hype: Wie zeigt sich diese Idee in der Kollektion?
Foxy Finsterwald: Sehr stark zeigt sie sich in den Statement-Prints, wie dem NATO-Stacheldraht, den ich im DIY-Verfahren zu Hause produziert habe. So wollte ich den Punk einfließen zu lassen. Ein anderes Beispiel ist der Soldaten-Rapport, der von weitem fast aussieht wie ein Flecken-Print. Man muss näher herangehen, damit man dieses Design versteht. Eine Metapher dafür, dass man sich manchmal näher mit einer Materie beschäftigen sollte, bevor man sie bewertet. Die großen Kapuzen dienen als Schutz – zum Beispiel vor Tränengas bei Demonstrationen. Und in die Rückenteile einiger Jacken sind Taschen eingenäht, in denen Poster oder ähnliches transportiert werden können.
Menschen, die in der Modebranche arbeiten, legen absurd viel Wert auf Statussymbole.
Just My Hype: Wie sehen deine Pläne für die Zukunft aus?
Foxy Finsterwald: Zurzeit arbeite ich bei dem Hamburger Label Merijula, das mit Stoffen aus Bio-Baumwolle arbeitet und Fair-Wear-zertifiziert ist. Das kann ich gut mit meinen Wertvorstellungen vereinbaren. Aber ich kann mir nicht vorstellen, für H&M oder adidas zu designen. Fast Fashion ist ein großes Problem unserer Gesellschaft, das mir auch den Spaß am Designen nimmt. Das schränkt meine Jobaussichten natürlich extrem ein. Aber ich glaube, ich möchte nach meinem Abschluss ohnehin nicht als Mode-Designerin weiterarbeiten. Mich spricht diese ganze Modewelt einfach nicht mehr an. Ich finde Menschen, die in der Modebranche arbeiten, legen absurd viel Wert auf Statussymbole. Und auch die Modelbranche, die Magersucht verharmlost und als normal darstellt, kann ich nicht gut heißen.
Just My Hype: Aber kann man als Designer diesen Status Quo mit seinen Designs nicht auch in Frage stellen?
Foxy Finsterwald: Natürlich. Man kann Plus-Size-Mode fertigen oder Kleidung für schwierige Körperformen designen. Das alles gibt es bereits und ja, darüber wird zurzeit auch viel gesprochen. Aber kommt das, weil Menschen denken, dass das andere falsch sei? Ich glaube nicht. Denn es gibt immer noch diese skinny Models. Mit dem Plus-Size-Hype hat die Modeindustrie nur einen weiteren Weg gefunden, Kleidung zu verkaufen.
Menschen schauen sich den ganzen Tag nur dämliche Fashionposts auf Instagram an oder rennen am Black Friday Geschäfte ein, obwohl es Dinge gibt, die so viel wichtiger sind.
Just My Hype: Ist das etwas Verwerfliches?
Foxy Finsterwald: In dem Ausmaß, in dem es zurzeit passiert: ja. Ich mag keine Modetrends. Für mich liegt in ihnen ein großer Widerspruch. Jeder will individuell sein. Die meisten laufen aber doch immer nur gerade Angesagtem hinterher. Wer nicht die coolen Schuhe trägt, gehört halt nicht dazu. Dass das so wichtig ist, finde ich schräg. Und dann erlebt man schlimme Dinge. Jemand, der dir nahe steht, wird krank oder stirbt. Das sind Momente, in denen man merkt, worum es eigentlich wirklich geht. Zeitgleich schauen sich alle anderen den ganzen Tag nur dämliche Fashionposts auf Instagram an oder rennen am Black Friday Geschäfte ein, obwohl es Dinge gibt, die so viel wichtiger sind.
Just My Hype: Mode zu designen, die nachhaltig produziert ist und nicht auf Trends setzt, wäre keine Option für dich, um Menschen zu einer anderen Art des Konsums zu bewegen?
Foxy Finsterwald: Ich kann aus Erfahrung sagen, dass solche Kollektionen nicht unbedingt ankommen. In Wirklichkeit ist es den Konsumenten häufig einfach egal oder sie wollen dafür kein Geld ausgeben. Das sind dann aber trotzdem die, die kritisieren, dass Marken nicht genug tun. Schlimm finde ich aber auch, dass vor allem die Menschen, die in der Modeindustrie arbeiten und es besser wissen müssten, Pelz und Gänsefeder-gestopfte Jacken tragen. Und da denke ich mir: Unsere Gesellschaft hat doch echt ein Problem!
In erster Linie geht es darum, selbst zu denken und sich auch zu trauen, nein zu sagen.
Just My Hype: Inwiefern siehst du dich denn als Exiter aus dieser Gesellschaft?
Foxy Finsterwald: Ich denke auf gewisse Art und Weise bin ich ein Exiter, weil ich etwas gegen die Gesellschaft, wie sie zurzeit ist, habe. Ich folge keinen Trends, deshalb sehe ich das als meine Art des Ausstiegs. Nicht zu denken „Ich bin, weil ich konsumiere, was alle anderen auch konsumieren.“. In erster Linie geht es darum, selbst zu denken und sich auch zu trauen, nein zu sagen.
Just My Hype bedankt sich für das Gespräch.
Übrigens: Erlebt die Kollektion von Foxy Finsterwald am 30. März 2019 auf der Fashionshow PULS.19 in Hamburg. Alle Infos und Tickets findet ihr auf der Website der AMD.
Credits
Fotos: Felix Valentin
Styling & Fashion: Foxy Finsterwald
Models: Lennart Ehrlich, Tim Hermann & Lenny Grünau